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Die letzten Mohikaner

Jan Miotti über die antikoloniale Rhetorik der Schweizerischen Volkspartei

Das Schweizer Volk hat am 6. Dezember 1992 gesagt: Nein! Wir gehen nicht in die EU. Ja! Wir bleiben ein unabhängiges Land mit einer direkten Demokratie, wo der Bürger das Sagen hat«, posaunte Christoph Blocher, der seit vierzig Jahren das Sagen hat in der Schweizerischen Volkspartei (SVP), auf ihrer Versammlung Ende Januar. »Seit vierzig Jahren führen wir den Kampf und bis heute, was die EU betrifft, mit Erfolg. … Als einzige Partei in der Schweiz, als die letzten Mohikaner. Und das Volk hat uns letztlich recht gegeben. Aber die treibenden Kräfte in Bern, die classe politique, sind hinein in die Uno, hinein in die EU, hinein in die Nato. … Sie haben hinter dem Rücken der Bevölkerung einen Vertrag geschmiedet. … Und wir armen Mohikaner haben gesagt: Wir stehen zur Schweiz! Und die Schweiz wird nicht zugrunde gehen, sondern sogar besser blühen.«

Hinter dem Rücken des Volkes, da ist bekanntlich ein Dolch, bereit zum Stoß, und Blocher tritt den Beweis an, dass ihm für die faschistische Mobilisierung die Drohkulisse nationaler Kränkung und Krise ausreicht. Im »heimlichen Imperium« (Lorenz Stucki) Schweiz macht man keinen Unterschied zwischen »blühen« und »besser blühen«.

Jedenfalls ist wie dem großdeutschen auch dem kleinstaatlichen Faschismus der Dolch ein Vertrag, geschmiedet von den Kommunistenjuden, pardon, der »classe politique«, die glaubt, »im Land etwas zu sagen zu haben und die durch die Volksabstimmung in der Macht beschränkt wird«. Der Vertrag zwischen der Schweiz und der EU sei ein »Kolonialvertrag«, und »weil sie ihn nicht durchbringen im Volk, müssen sie schöne Namen machen: bilaterale Verträge. ... Das wird uns begleiten in den nächsten Jahren: diese Lügenbegriffe, diese Gaunerbegriffe.«

Dass indigene Sennenvölker die Indianer Europas sind, gehört seit der Romantik zum reaktionären Alpenmythos. Der antikolonial-antisemitische Dreh Blochers ist nicht neu, schmiedet aber von neuem das Hufeisen zu den dummen Kerls der Linken, die meinen, ein indigenes Volk gegen einen 1948 durch einen internationalen Vertrag abgesicherten Staat verteidigen zu müssen. Blocher gibt die Direktive: »Die große Aufgabe der SVP ist es nicht, zu kämpfen, sondern diesen Vertrag zu erledigen.«

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