Sport ist doch Mord
Deutsche Pädagogen plädieren für körperliche Kriegsertüchtigung. Von Florian Sendtner
Abkehr »von der schlechten Tradition, die Leibesübungen als eine Art von Erziehung zu seelischer und körperlicher Militärtauglichkeit zu betrachten«: So formulierte der Sozialdemokrat Carlo Schmid die Aufgabenstellung für den Sportunterricht in den Nachkriegsjahren. Carlo Schmid wird gern als einer der »Väter des Grundgesetzes« hochgehalten; was macht man also, wenn man heute beim Thema Turnen vs. Wehrsport diametral anderer Ansicht ist? Ganz einfach: Man zitiert trotzdem Carlo Schmid und liest den Satz kurzerhand so, als stünde da »Rückkehr zu« und nicht »Abkehr von«. Um das Ganze endgültig zu besiegeln, fügt man noch ein donnerndes Diktum aus Adenauers Ansprache zur Kalten Kriegsweihnacht von 1952 bei (»Frieden ohne Freiheit ist kein Frieden«) und behauptet, in dem Punkt seien sich Schmid und Adenauer einig gewesen. Na, sehen Sie!
Michael Krüger, emeritierter Sportwissenschaftler, hat diesen argumentativen Salto mortale im vergangenen August im »Sportunterricht« hingelegt, dem offiziellen Organ des Deutschen Sportlehrerverbands. Reaktionen? Keine. Erst als die »Taz« im Januar bei »Sportunterricht« nachfragte, erfuhr man, es habe »ein, zwei Lehrerzuschriften gegeben, in denen die Frage aufgeworfen wurde, ob man nicht wieder den Handgranatenweitwurf einführen sollte«. »Taz«-Redakteur Johannes Kopp erläuterte: »In der DDR übten diesen Neuntklässler im Pflichtfach Wehrkunde.« Krüger habe auf Nachfrage der »Taz« sein Bedauern geäußert: »Diese Dimension des Sportunterrichts sei gerade in Westdeutschland aus dem Blick geraten.«
Auch wenn es derweil noch diskret behandelt wird: Da wächst zusammen, was zusammen gehört! Boris Pistorius mit seiner angemahnten »Kriegstüchtigkeit«, Walter Ulbricht selig mit seinem Pflichtfach »Wehrkunde« und natürlich Friedrich Ludwig Jahn mit seinem anfangs geheimen Deutschen Bund. Jahn wollte mittels Turnübungen auf der Berliner Hasenheide 1810 die ihm so verhassten französischen Besatzer vertreiben. Dass Juden, selbst getaufte, dem Deutschen Bund nicht beitreten durften, versteht sich von selbst, man muss auch gegenüber dem inneren Feind wachsam sein! Damit man dem äußeren Feind, ob Russ’ oder Franzmann, frisch, fromm, fröhlich, frei am Barren und am Reck entgegentreten kann!
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